Folgende Therapieziele sprechen in besonderem Maße für die Einbeziehung musikgestützter Techniken in eine Verhaltenstherapie:

 

Erweiterung der emotionalen Erlebnisfähigkeit, (emotionale) Klärung

Für Einschränkungen in den emotionalen Funktionen gibt es verschiedene Gründe: Affektive Störungen, also Depressionen und Angststörungen, jedoch auch Probleme bei der Verarbeitung schwerwiegender Erlebnisse (Traumata und Anpassungsstörungen) sowie überdauernde Persönlichkeitsprobleme können dazu führen, dass das emotionale Erleben überwiegend negativ gefärbt, stark schwankend oder insgesamt von einer geringen Spannweite geprägt ist.

Oftmals lässt sich dies auch nicht ausschließlich durch sprachbasierte Psychotherapie oder „pure” Verhaltensvariation ändern. Das gezielte Wahrnehmen „neuer” oder andersartiger emotionaler Reaktionsweisen auf Musik und der daran anknüpfende Ausbau dieser Fähigkeiten kann zu einer Senkung des Stresserlebens und einer verbesserten Selbststeuerung führen. Der zugrundeliegende Mechanismus ist eine Verbesserung der Achtsamkeit.

 

Klärung von Zielen, Einstellungen und Werten im eigenen Leben

„Wer bin ich?“ „Wie will ich leben?“ „Wer will ich sein?“ „Sollte ich häufiger, seltener oder gewissenhafter …?“

Viele dieser Fragen können quälend sein, wenn immer deutlicher wird, dass bestimmte Lebensumstände nicht mehr passend sind, dass sich daraus immer wieder negative Gefühle entwickeln und zwischenmenschliche Kontakte nur noch als anstrengend, ängstigend oder ärgerlich erlebt werden und zu Selbstwert-, Motivations- oder Vermeidungsproblemen führen.

Umso hilfreicher ist es oft, die dahinter liegenden, oft automatisch ablaufenden Bewertungsprozesse genauer zu durchleuchten und daran zu messen, ob sie das Leben zukünftig weitere bestimmen sollen oder sie durch passendere Einstellungen ersetzt werden sollten.

Die Kognitive Therapie als Methode der Verhaltenstherapien hat genau dieses Ziel. Doch viele dieser „alten” Einstellungen sind hartnäckig und es bedarf langjähriger Übung, sich davon schrittweise loszusagen. Musik kann diesen Prozess unterstützen: Als musikgestützte Ergänzung einer Kognitiven Therapie können überraschende, aufbauende, motivierende, selbstwertdienliche und identitätsstiftende Musik und Texte, die Menschen oft über Jahrzehnte begleiten, gezielt zur Festigung neuer, hilfreicherer Denkweisen eingesetzt werden.

Manchmal kann es zudem helfen, mehr über die Entstehungsgeschichte einzelner Werke der Musik, z. B. durch Beschäftigung mit den dahinter stehenden Musiker- und Texterbiographien, in Erfahrung zu bringen, um neue Sichtweisen zu entwickeln, eigene Schicksalsschläge zu bewältigen und eigene Kreativität zu entfalten.

 

 Reduktion von Scham und Angst

Selbstsicherheitstrainings für Menschen, die sich viele Sorgen darüber machen, wie andere über sie denken könnten, wer sie für eine schlechte Mutter, einen schlechten Kollegen oder einfach für zu doof, zu hässlich oder zu ungeschickt halten könnte, haben eine lange Tradition in der Verhaltenstherapie.

Eine Besonderheit ist das musikgestützte Darstellungstraining, welches zum Ziel hat, schrittweise soziale Ängste und häufiges Schamerleben zu reduzieren, indem man zunehmend gezielt den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aufsucht. Einerseits hat dieses Grundprinzip schon abseits von gezielter Therapie viele ausgezeichnete Bühnendarsteller hervorgebracht, andererseits sind so genannte „Shame-Attack”-Übungen bei entsprechend guter Vorbereitung und Vorarbeit ein höchstwirksames Mittel, um diese belastenden Gedanken und Befürchtungen zu reduzieren – und zwar gerade dann, wenn sich musikalisches und darstellerisches Talent eher im unteren bis durchschnittlichen Bereich bewegen.

Auch als Coaching-Methode hat sich diese Art des Selbstsicherheitstrainings bereits bewährt und führt zu verbesserter zwischenmenschlicher Zusammenarbeit und „Team-Building”.

 

Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungsfähigkeit

Implizite, prozessorientierte therapeutische Ansätze sind auch in der Verhaltenstherapie zunehmend für die Behandlung schwerer psychischer Erkrankungen entwickelt worden. Beispiele für solche beziehungsfokussierten Verhaltenstherapien sind die Konzepte der Plananalyse und der motivgeleiteten Beziehungsgestaltung nach Caspar oder der funktional-analytischen Psychotherapie (FAP) nach Tsai und Kohlenberg.

Bei manchen, oft mit schweren psychiatrischen Erkrankungen verbundenen Störungen in der zwischenmenschlichen Interaktion und der Beziehungsgestaltung sind explizite und in besonderem Maße störungs- oder zielorientierte Psychotherapiemethoden wie die Schematherapie überfordernd und mehr Belastung als Unterstützung.

Das implizit-beziehungsfokussierte Herangehen eröffnet die Möglichkeit, die zentralen Probleme zwar zu verbessern, aber die Risiken eines Therapieabbruchs wegen zu geringer Stundenkontingente, zu schwankender Therapiemotivation oder zu geringer Selbstregulationsfähigkeiten zur Aufrechterhaltung einer ambulanten Richtlinienpsychotherapie zu minimieren.